Reise 2006:
Teil 2 - Vietnam
In Vietnam herrscht Glaubensvielfalt. Das
Informationsblatt von INDOCHINA SERVICES erwähnt als praktizierte
Glaubensrichtungen Buddhismus, Konfuzianismus, Daoismus, Protestantismus,
Islam und Animismus. Hinzu kommt der häufig ausgeübte Ahnenkult. Glaube
und Ahnenkult formen den Alltag und bestimmen das Verhalten der
Vietnamesen. Ihre Tempel und Pagoden sind überladen mit Göttern,
Dämonen, Schutzgeistern und Höllenfürsten, Drachen und Einhörnern. Alle -
besonders auch die Ahnen - müssen immer bei Laune gehalten oder besänftigt
werden. Das geschieht mit Opfergaben von Reis, Gemüsen und Suppen zu den
entsprechenden Gedenktagen. Es gibt aber auch praktische Geschenke, wie
Papiergeld, Hüte und Schuhe. Man glaubt von diesen, dass die Ahnen sie im
Jenseits gebrauchen können. Als Gegenleistung erhält man von den Toten
weisen Rat in allen Lebenslagen. Die Ratschläge müssen allerdings von
Wahrsagern 'interpretiert' werden. Heute konzentrierten wir uns
allerdings auf die Cao-Dai-Sekte, deren Zentrum und Haupttempel wir
in Tay Ninh besuchten. Graham Greene beschreibt den Tempel in
seinem Roman 'Der stille Amerikaner' als eine Walt-Disney-Phantasie des
Ostens. In der Tat ist er an Farbigkeit nicht zu überbieten und vereint
fernöstliche und westliche Architektur, überladen mit vielen Statuen,
Drachen und Schlangen, wie die nachfolgenden Fotos beweisen.
Die Sekte wurde im Jahre 1920 durch den Staatsbeamten Ngo Minh Chieu
gegründet. Ihm soll in einer spiritistischen Sitzung ein Geist namens Cao
Dai erschienen sein, der sich in Form eines göttlichen Auges zeigte.
Dieses göttliche Auge wurde zum Symbol der neuen Religion, einer
fantastischen Mixtur aus den Lehren des Buddhismus, Konfuzianismus,
Daoismus, Christentums und Islams.
Wir kamen gerade dazu, als die Mittagszermonie sich dem Ende neigte. Die
Priester verließen den Tempel in ihren verschieden-farbigen Gewändern,
gelb für Buddhismus, blau für Daoismus und rot für Konfuzianismus. Dann
folgten die weiß gekleideten Laienanhänger.
Wir konnten dann das Innere des Tempels besichtigen und sahen uns mit
einem Farbenrausch konfrontiert und den Elementen der verschiedenen
Religionen. Die Säulen waren mit Drachen und Schlangen verziert, die
Fenster mit einem Dreieck mit Auge. Über dem Altar befand sich eine
riesige Weltkugel mit Auge. Vor einem blauen Vorhang war eine
Personengruppe dargestellt: Jesus mit offenem Herzen, Konfuzius mit
schütterem Bart und rotem Gewand, der weißbärtige Laozi, blau-gewandet,
Quan Am, die Göttin der Barmherzigkeit und Buddha, der Erleuchtete. Wir
hörten noch, dass der Sekte früher ein Papst vorstand, was heute nicht
mehr der Fall ist. Auch unterhält sie heute keine 25.000 Mann starke
Privatarmee mehr. Unser Guide, Chang, sprach miserabel deutsch und wir
leider kein bisschen vietnamesisch. Trotzdem reichte es, seinen Humor und
seine Herzenswärme kennenzulernen. So erzählte er uns unterwegs, dass es
in Vietnam auch eine Menge BMWs gäbe. Als er unseren fragenden Blicken
bemerkte, meinte er: Ist doch klar: "Bauer mit Wasserbüffel".
Sehr
interessiert war ich an einem Ao Dai, der Nationaltracht der
schönen Vietnamesinnen. Ich wollte mir aber keinen nähen lassen, ohne das
Wort vernünftig aussprechen zu können. Immer wieder bat ich Chang, die
Aussprache mit mir zu üben. Was ich bei ihm verstand, klang aber eher wie
'Oh je', und das traute ich mich nicht, zu wiederholen. Deshalb blieben
die Schneider von mir verschont.
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